Scheibenbremse

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Version vom 20. September 2006, 20:17 Uhr von Maze (Diskussion | Beiträge) (+Radreise-FAQ Text)

Scheibenbremsen sind Bremsen deren Bremsfläche eine Scheibe an der Nabe ist. Aus dem Automobilbereich kommend hat sich die Scheibenbremse auch im Fahrradsektor zunehmend verbreitet.

Unterscheidungen

Derzeit wird zwischen folgenden Arten der Scheibenbremse unterschieden:

  • mechanische
Der Zug erfolgt wie bei Cantileverbremsen über einen Bowdenzug. Bekannte Hersteller sind Promax (Baumarktqualität), Avid und Hayes (beide im höherpreisigen Segment angesiedelt)
  • hydraulische
Hier erfolgt die Kraftübertragung über eine Bremsflüssigkeit vom Geber (Bremshebel) zum Bremssattel. Als Bremsflüssigkeit kommen Mineralöle (Shimano, Magura) oder die aus dem KFZ-Breich bekannte Bremsflüssigkeit DOT (4 & 5, ätzend!, Hersteller: Grimeca, Hayes, Formula etc.) zum Einsatz
  • semihydraulische
Die Ansteuerung erfolgt bis zum Sattel über Bowdenzüge, erst dort wird der Kolben betätigt, der dann zum Bremskolben die Kraft hydraulisch betätigt. Durchsetzen konnten sich diese Bremsen nicht so recht, da sie zum einen ähnlich teuer wie hydraulische Bremsen sind, aber die Nachteile der mechanischen Bremsen innehaben.

Die letzten beiden Gattungen sollten jedoch nur im Notfall (Finanzmäßig oder Verwendung exotischer Bremshebel) eingesetzt werden. Durch den sehr langen Bremszug lassen sich diese Bremsen nur mit hohen Handkräften bedienen, sind schmutzanfällig und schlechter dosierbar.

Für und Wider

Vorteile der Scheibenbremstechnik

  • Im Gegensatz zur üblichen Felgenbremse, werden bei der Scheibenbremse die Felgen als tragendes Element nicht mehr als Abriebpartner der Bremsen benutzt. Somit können Felgen länger halten. Des Weiteren werden bei einem Bremsmanöver die Speichen nicht so stark belastet wie bei einer Felgenbremse.
  • Während die Felge schneller feucht und dreckig wird, sammelt sich erheblich weniger Dreck und Nässe an der Scheibenbremse, der Belagverschleiß ist daher geringer. Weiterhin sind Discs unanfällig gegenüber vereisten Felgenflanken, die schon manchen ungebremst den Berg hinabschießen ließen.
  • Ein Seitenschlag der Felge (Achter) beeinträchtigt das Bremsverhalten der Scheibenbremse nicht.
  • Eine höhere Bremskraft als V-Brakes bieten Discs nicht (ausgenommen sind davon Downhillbremsen wie die GustavM von Magura, die System17, eine 6-Kolbenbremse von Grimeca und andere), jedoch sind die zur Betätigung nötigen Handkräfte geringer, gut eingestellte Bremsen bieten zudem eine hervorragende Dosierbarkeit.

Nachteile der Scheibenbremstechnik

  • Preis: Als billigste hyraulische Scheibenbremse ist die Deore zu nennen (ab 80 €) Im Vergleich zu einer V-Brake nat. erheblich teurer. Die Preisspanne reicht bis zu 300 €. Auch die Wartungskosten können erheblich teuer sein, als die von Felgenbremsen, da die Bremsbeläge nicht normiert sind, ist der Kunde bei Ersatz zumeist auf einen bestimmten Hersteller angewiesen, der die Preise beliebig hoch setzten kann.
  • Gewicht: Zwar haben die Discs mittlerweile extrem aufgeholt, die aktuelle XTR-Disc sowie die MartaSL von Magura sollen sogar weniger als V-Brakes wiegen. Im Durchschnitt handelt man sich jedoch ein wenig mehr Gewicht ein, was aber in Anbetracht der sowieso nicht auf Leichtbau getrimmten Reiseräder nicht von großer Bedeutung sein sollte.
  • Komplexität und Reparaturfreundlichkeit: Eine Notreparatur bei gerissenen Bremsschläuchen ist während einer Tour nahezu unmöglich. Während man bei V-Brakes schnell den Bremszug wechseln oder provisorisch reparieren kann, muß man hier auf die hoffentlich mitgebrachte Ersatzleitung zurückgreifen. Auch sollte Ersatzbremsflüssigkeit, das Entlüftungskit (zum Befüllen) sowie handwerkliches Geschick vorhanden sein.
    • Ein gebrochener Bremshebel, der aufgrund der häufigen Verwendung von Kunststoffgebern wahrscheinlicher ist als der Bruch eines stabilen Alu-Bremshebels, kann das Ende einer Tour bedeuten.
    • Weiterhin kann Luft im System recht nervig sein. Durch kleine Lecks kann Luft eindringen, die meist im ungünstigsten Fall während einer Abfahrt z.B. zum Totalausfall der Bremse führen kann. Mit "Pumpen", also merhmaligem schnellen Betätigen des Bremshebels kann wieder Druck aufgebaut werden, um doch zum Stehen zu kommen. Erfahrungsgemäß tritt soch ein Fall jedoch häufiger auf, wenn das Rad liegend gelagert wurde (abends vor dem Zelt) und dabei der Bremshebel betätigt wurde.
    • Auch eine, z.B. durch Transport, verbogene Bremsscheibe führt zu einer Standzeit. Die Bremsen haben ein Spiel von teilweise weniger als 1mm, eine kleine Unwucht kann dann schon zum Blockieren des Rades führen (Nothilfe: Mit Zange versuchen, die Bremsscheibe wieder einigermaßen geradezubiegen). Allerdings kann gleiches auch eine verbogene Felge bei Felgenbremsen verursachen, was evtl. sogar wahrscheinlicher ist. Eine Acht in der Felge beeinflußt die Disc nicht.

Teilweise muß man auch mit permanentem Schleifen und Quietschen, insbesondere bei Nässe oder bei schlecht verbauten Bremsen, leben.

Auswahl der passenden Bremse

Gerade als Reiseradler muß daran gedacht werden, daß man häufig mit viel Gepäck unterwegs ist. Die meisten Bremsen sind auf das Standardgewicht von 80 kg Fahrer und 13 kg Rad ausgelegt. Ein 2-Zentner-Fahrer mit 20 kg Rad und 20 kg Gepäck kann bei langen Abfahrten mit einer unterdimensionierten Bremse recht schnell ein Aha-Erlebnis bekommen. Für derartige Extrema bieten sich Downhill-Bremsen an (besagte GustavM von Magura ist z.B. für den Tandembetrieb freigegeben und sollte derartige Belastungen schadlos überstehen).
Generell gilt aber, daß auch kleinere Bremsen bei vernünftiger Bremsweise sehr viel aushalten. Die Bremse sollte nicht permanent gezogen sein. Zum einen kann das dazu führen, daß das Öl nicht mehr in den Ausgleichbehälter strömen kann, wenn es sich erwärmt. Und bedeutender: die Bremse überhitzt dadurch sehr schnell. Dabei kommt es dann zu berüchtigtem "Fading". In solch einem Fall bauen die Bremsbeläge keine bzw. eine deutlich geringere Reibung auf der Scheibe auf, die Bremsleistung verschlechtert sich rapide. Mit Intervallbremsungen kann diesem Problem vorgebeugt werden. Eine eindeutige Empfehlung bezüglich der Wahl der Bremse kann nicht gegeben werden, nachfolgend aber ein paar Informationen der am Markt erhältlichen Scheibenbremsen.

Hersteller

Magura

Alle Magura-bremsen sind 2-Kolbenbremsen, mit Ausnahme der Gustav (Schwimmsattel) werden beide Bremsbeläge durch Kolben an die Scheibe gedrückt. Bremsbeläge für Magura-bremsen kosten ab 18 €.

  • Julie: Die preisgünstigste Bremse von Magura. Vorn eine 180mm-Scheibe, hinten eine 160er. Hat, wie viele selbstnachstellende Bremsen von Magura, mit Schleifen und Quietschen zu kämpfen. Penible Montage ist Voraussetzungen für einen sorgenfreien Betrieb. Im Gegensatz zu den anderen Magura-Discs arbeitet die Julie mit geringem Druck, weswegen die Bremsleitungen der HS33 hier verwendet werden. ca. 100 €
  • Clara: Ab BJ 2001 nur noch selbstnachstellend. Wird nicht mehr produziert, da die Lücke ziwschen der Julie und der Louise zu klein war. Nie mit den Bremsleitungen der HS33 fahren! Sie bietet ordentliche Verzögerungswerte, neigt aber aufgrund der kleinen 160er Scheibe bei Permanentbremsungen gern zum überhitzen. Damaliger Preis ca. 120 €
  • Louise (FR): Die Standardlouise ist der Nachfogler (Ersatz) der Clara, gleiche Technik. Die Louise FR kommt mit einer 180er Scheibe und ist an das Klientel der "Freerider" gerichtet. Die größere Scheibe bietet eine etwas höhere Sicherheit vor Überhitzungen. Ab 190 €
  • GustavM: Die Downhillbremse, teuer, recht schwer, aber von legendärer Bremskraft. Ca. 250 €

Grimeca

Produziert 2-, 4- und 6-Kolbenbremsen. Etwas preisgünstiger als Magura. Leider hat Grimeca sehr mit Fertigungstoleranzen zu kämpfen. Der IS (internationale Befestigungsstandard) wird nicht immer eingehalten. So kommt es häufiger zum Schleifen des Bremssattels an den Speichen bei hochbauenden Nabenflanschen. Hier sollte die Befestigung vom Händler erfolgen bzw. eine gesicherte Aussage erfolgen, ob die Bremse zum Laufrad passt. Preise von 100 bis 250 €.

Shimano

Legendär hier die XT-Bremse (4-Kolben). Neigten früher zum Quietschen, durch Belagwechsel von sintermetall- auf organische Beläge ist dieses Problem in den Griff zu bekommen. Recht teuer (180 €), gute Verabeitungsqualität, Standards werden eingehalten, hohe Bremskraft.

Hope, Hayes

Beide recht teuer, man hört aber viel Gutes.

Tips

Bei der Nachrüstung von Scheibenbremsen ist zum einen darauf zu achten, daß Rahmen und Gabel die notwendigen Befestigungen bieten. Von Bastellösungen ist im Interesse der eigenen Gesundheit abzuraten (besonders am Vorderrad). Weiterhin müssen gerade die Gabeln ausreichend dimensioniert sein. Gerade mit viel Gepäck wirken sehr hohe Kräfte bei einer Vollbremsung auf die dadurch einseitig belastete Gabel. Starrgabeln sollten über einen ausreichend dimensionierten linken Gabelholm verfügen. Ebenso müssen die Laufräder sehr stabil sein, da die Kraftübertragung beim bremsen erst über die Speichen erfolgt. Empfehlenswert sind hier 2.0-1.8-2.0er Speichen. Die Schnellspanner sollten nicht aus Titan oder Alu sein, da diese den Kräften nicht gewachsen sein können. Probleme gibt es auch mit Plastikunterlagen am Schnellspanner, da diese bei starker Hitzeentwicklung aufweichen können und zum Lockern des Schnellspanners mit der Gefahr des Lösens des Laufrades führen (wenn möglich, Schnellspannerhebel auf der rechten Seite montieren, verhindert verbrannte Finger beim Lösen nach einer Abfahrt).

Weitere Tips in Kurzform:

  • Vorteile der mit Bremsflüssigkeit betriebenen Bremsen ist die Möglichkeit, an Tankstellen Bremsflüssigkeit nachzukaufen. Bremsen mit Mineralölen (Magura & Shimano) dürfen unter keinen Umständen mit DOT betrieben werden, analog gilt das für DOT-Bremsen.
  • Bei Verwendung von Mineralöl darf die Bremsflüssigkeit nicht auf die Beläge und Scheibe kommen. Folge davon sind Bremskraftverlust (bis zum Totalausfall). Sollten die Beläge kontaminiert werden, hilft nur der Austausch. Versuchen kann man jedoch, die Beläge mit Hilfe einer Herdplatte/Gaskocher "auszubrennen", um es wenigstens noch bis zum nächsten Händler zu schaffen. Die Bremsscheibe reinigt man in solch einem Fall am besten mit Alkohol (kein 20-Jahre-Singlemalt, sondern Industriealkohol, wie es ihn in Apotheken gibt oder Spiritus, Seifenlauge soll auch helfen).
  • Bremsgriffe nicht "anknallen", sondern nur handfest anziehen. So können sich diese beim Sturz verdrehen, bevor sie zerbrechen.
  • Unbedingt den Schraubensicherungslack verwenden, damit sich nichts lockert.
  • Finger weg von der Bremsscheibe. Minimale Fettspuren an den Händen reichen aus, die Bremsleistung zu verschlechtern.
  • Einbremsen der neuen Beläge nicht vergessen.

Scheibenbremsen am Reiserad?

Die eigentliche Frage zum Schluss. Luft im System kann, wenn das Entlüftungskit dabei ist, auch unterwegs behoben werden. Die Ersatzteilversorgung unterwegs ist problematischer. Ein Abriß der Bremsleitung dagegen kann schwer werden. Allerdings sollte letzterer Fall bei einer ordnungsgemäßen Verlegung der Bremsleitung (enge Radien sind kein Problem) selten vorkommen. Für Weltumrundler sind Scheiben nichts, aber mit einer Leitung und Öl im Gepäck sind sie durchaus für lange Touren geeignet. Wer schonmal mit vom Bremsen verkrampften Händen nach einer langen Abfahrt zu tun hatte, wird sich über die Leichtgängigkeit der hydraulischen Bremsen freuen. Nie wieder durchgebremste Felgenflanken und (meist) geringerer Belagverschleiß.


Dieser Artikel basiert auf der Radreise-FAQ, dem Vorgänger dieses Wiki. Die erste Version des Artikels spiegelt den originalen Wortlaut aus der FAQ wider und muss ggf. entsprechend überarbeitet werden.