Reiserad: Unterschied zwischen den Versionen
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*Rücktritt- und [[Trommelbremse|Trommelbremsen]] können bei Bergabfahrten durch Überhitzung zerstört werden. | *Rücktritt- und [[Trommelbremse|Trommelbremsen]] können bei Bergabfahrten durch Überhitzung zerstört werden. | ||
* besonders bei kleinen Laufrädern (Liegeräder) können Felgenbremsen bei langen Abfahrten die Felge gefährlich erhitzen, weshalb bei Liegerädern zunehmend Scheibenbremsen zum Einsatz kommen | * besonders bei kleinen Laufrädern (Liegeräder) können Felgenbremsen bei langen Abfahrten die Felge gefährlich erhitzen, weshalb bei Liegerädern zunehmend Scheibenbremsen zum Einsatz kommen |
Version vom 24. Februar 2009, 20:46 Uhr
Das Reiserad ist ein speziell für die Bedürfnisse von Radreisenden konzipiertes Fahrrad und kann mit viel Gepäck noch sicher gefahren und gebremst werden. Das bloße Anschrauben von Gepäckträgern an ein Serienfahrrad macht daraus kein Reiserad. Reiseräder haben gegenüber üblichen Fahrrädern eine andere Rahmengeometrie und sind auf die größeren Belastungen durch stabilere Materialien und größere Wanddicken der Rahmenrohre ausgelegt.
Typische Belastungsgrenzen von stabilen Gepäckträger sind: 40 kg Hinterradgepäckträger, 12 kg Vorderrad-Lowrider, 5 kg Vorderradgepäckträger, 2,5kg Lenkertasche (+Wasserflaschen am Rad verteilt). 60kg lassen sich so am Rad zu transportieren, wobei man diese Obergrenze der Gepäckträger nicht unbedingt anstreben sollte.
Steht zusätzlich ein Anhänger zur Verfügung, kann das schwerste Gepäck dort verstaut werden. Dies wirkt sich günstig auf das Fahrverhalten des Rades aus. Das Gesamtgewicht (Systemgewicht) von Fahrer, Fahrrad, Anhänger und Gepäck sollte aber 150 - 170 kg nicht wesentlich überschreiten, und es hat sich als günstig erwiesen wenn das Verhältnis von Rad zu Anhängergewicht ein nicht zu großes Ungleichgewicht bekommt.
Klassisches Reiserad
Das klassische Reiserad ist das älteste der Typen, schon vor Jahrzehnten wurden damit Weltreisen gemacht. Auf guten Straßen ist dieser Typ neben dem Liegerad immer noch sehr gut geeignet. Die Merkmale sind
- eine aus dem Rennradbereich kommende Rahmenform, verstärkt und mit längerem Hinterbau für Gepäcktransport vorgesehen
- Rennlenker
- Reifenbreiten zwischen 28mm und 35mm
- Schutzbleche und Gepäckträger
- drei Kettenblätter (statt zwei) mit nach unten erweitertem Übersetzungsbereich
Da klassische Reiseräder Randonneuren sehr ähnlich sind, mit einigen Änderungen z.B. für erhöhte Gepäckmenge, findet man sie auch, mit der französischen Bezeichnung für klassische Reiseräder, als Randonneure bezeichnet.
MTB-Bauweise
Mit dem Aufkommen der Mountainbikes gab es auch eine Befruchtung für den Reiseradsektor. Auch machen Neuerungen aus diesem Bereich manche Fahrt auf üblen Pisten erst möglich.
Die Merkmale sind:
- ein sehr stabiler Rahmen, teilweise mit Federgabelgeometrie oder Vollfederung und ausreichend Platz für breite Reifen, Anbringmöglichkeit und genügend Abstand für Gepäckträger
- 559mm- (ex 26")-Laufräder mit stark verringerter Neigung zum Speichenbruch(Was heutzutage mit der Entwicklung stabiler Felgen und 3D-Speichen nur noch für den richtigen Schwerlastbetrieb sowie Pisten wichtig ist.) und stark verringerter Neigung zu Seitenschlag (Achter), sowie weltweiter Ersetzbarkeit
- breite Reiseradreifen mittlerer Profilierung, (meist 40-57mm) die auch auf Pisten ein sicheres Vorwärtskommen ermöglichen
- Schaltungen und Bremsen aus dem MTB-Bereich
- Schutzbleche und Gepäckträger
Vertreter dieses Radtyps:
- Velotraum
- Koga-Miyata World Traveler
- Nöll MT 2
- Riese und Müller Intercontinental
- MTB-Cycletech
- idworks off-rohler
Trekkingradbauweise
Das Trekkingrad, früher auch All-Terrain-Bike (ATB), stellt, wie der Name schon sagt, ein Versuch eines Kompromisses für alle Wege dar. Die Merkmale sind
- Schutzbleche, Lichtanlage und Gepäckträger im Auslieferungszustand
- 622mm- (ex 28")-Laufräder.
- leicht profilierte Reifen in 37mm Breite
- gemäßigt sportliche Sitzposition
- Lenker gerade oder leicht nach hinten gekröpft mit Hörnchen
- Schaltung aus dem MTB Bereich (oder spezielle Trekkingruppen von Shimano), Ketten-, Nabenschaltung oder eine Mischung aus beiden (z.B. 3*9 oder 2*8)
- V-Bremsen, Magura HS 33 oder Scheibenbremsen
- Starrgabel oder Federgabel und häufig auch gefederte Sattelstütze
Liegeradbauweise
Reiseliegeräder zeichnen sich üblicherweise durch eine Gepäckanbringung an einem möglichst tiefen Punkt zwischen den Laufrädern, und damit einem idealen Schwerpunkt aus. Häufige Merkmale sind
- Kurzliegerbauweise
- 406mm- (ex 20")-Laufräder für viel Federweg und niedrigen Schwerpunkt, bzw. 559mm-Hinterrad für längere Reifenlebensdauer
- Scheibenbremsen und Vollfederung
Anforderungen
An ein Reiserad werden besonders hohe Anforderungen gestellt, die weit über die einfache Straßenverkehrstauglichkeit hinausgehen.
Rahmen und Gabel
- geeignet für die Anbringung mehrerer Gepäckträger
- soll auch schwer beladen ruhig geradeausfahren (langer Radstand, entsprechender Gabelvorlauf)
- langer, dennoch steifer Hinterbau und ein tiefes Tretlager
Laufräder
- möglichst steife Felgen: je ausgeprägter ein V-Profil, mindestens jedoch ein Hohlkammerprofil, und je breiter die Felge ist, desto stabiler ist sie
- außer bei sehr ausgeprägten V-Profil (wo Ösung nicht günstig ist) ist eine einfach, besser doppelte Felgenösung ein Qualitätsmerkmal
- asymetrisch angeordnete Felgenlöcher erlauben bei Kettenschaltungslaufrädern gleichroße Speichenspannungen und damit ein stabiler aufgebautes Hinterrad. (Nabenschaltungslaufräder sind stets symmetrisch mit gleichen Speichenspannungen)
- Doppeldickend Speichen, (z.B. 2,0-1,8-2,0) dreifach gekreuzt mit mindestens 36 Loch bei 622mm und mind. 32 Loch bei 559mm, bei sehr hohen Belastungen 4fach gekreuzt mit bis zu 40 Speichen am Hinterrad, evtl. DT-alpine 3D Speichen (2,35-1,8-2,0), evtl. verlötete Speichen
- gut gedichtete Radlager
- guter Pannenschutz und gummibewehrte Flanken am Mantel
Sitzposition
Für lange und auch für kurze Touren ist eine bequeme Sitzposition wichtig.
- Ein Kernledersattel braucht zwar einige Zeit um eingefahren zu werden, kann dann aber sehr angenehm, weil atmungsaktiv, sein. Ein Sattel sollte schmal genug sein, um nicht zu scheuern
- Lenker mit mehreren Griffposition für häufiges minimales Wechseln der Haltung auf dem Rad um Verspannungen, Rücken- und Schulterschmerzen vorzubeugen. z.B. Rennlenker, MTB-Lenker mit Hörnchen, Schmetterlingslenker
Antriebsstrang
- Haken- und Klickpedale ermöglichen ein ziehen am Pedal und durch die Fixierung hohe Trittfrequenzen. Hakenpedale können mit allen Schuhen gefahren werden, Klickpedale binden dafür fester und schnüren den Fuß dennoch nicht ab
- eine 2m Entfaltung (ca. 1:1 Übersetzung bei 622mm) sollte mindestens vorhanden sein, je nach Höhenprofil der Reise auch noch erheblich weniger. Nur so lassen sich als mäßig Trainierter auch steile Pässe ohne Gelenkschaden hochkommen.
Bremsen
- Die Bremsen müssen auch auf das zusätzliche Gepäckgewicht ausgelegt sein. V-Bremsen sind heutzutage der Mindeststandard
- Rücktritt- und Trommelbremsen können bei Bergabfahrten durch Überhitzung zerstört werden.
- besonders bei kleinen Laufrädern (Liegeräder) können Felgenbremsen bei langen Abfahrten die Felge gefährlich erhitzen, weshalb bei Liegerädern zunehmend Scheibenbremsen zum Einsatz kommen
Gepäckträger und Verteilung
- Ein möglichst tiefer Schwerpunkt verbessert das Fahr- und Bremsverhalten.
- Die Anordnung sperriger Gepäckstücke hinter dem Radler und gegebenenfalls in Längsrichtung vermindert den Windwiderstand.
- Die vorderen Packtaschen sollten an einem Lowrider (Fahrradgepäckträger) hängen, nicht zu voluminös sein und die schwersten Teile der Ausrüstung enthalten.
- Im Rahmendreieck kann außer den Trinkflaschen noch eine kleine Tasche angebracht werden.
- Gewichtsverteilung ist bei einem Upright am besten ca. 1/3vorne-2/3hinten
- Ein sorgfältiges Austarieren der Gepäcklast zwischen rechts und links wurde früher dringend empfohlen, ist aber nicht einmal bei den Lowridertaschen erforderlich.
- Voluminöse Teile gehören an oder auf den hinteren Gepäckträger.
Als Alternative ist ein Anhänger möglich, sofern der Hinterbau dafür ausgelegt ist.
Trinkflaschenhalter
Drei Anbringmöglichkeiten für Trinkflaschenhalter sind Standard bei den meisten Reiserädern. Ein Trinkflaschenhalter kann dabei für eine Treibstoffflasche (Kocher) verwendet werden. Inzwischen sind Trinkflaschenhalter für die weltweit erhältlichen großen Getränkeflaschen vorhanden, die sich auch an verschiedene Flaschenhöhen anpassen lassen. Bei ungünstig angeordneten oder fehlenden Bohrungen, kann man sie auch mit Schlauchschellen befestigen. Hersteller von Spezialhalter für größere Flaschen (z. B. Campa Aero, 1,5l PET, Toppeak, Minauro)
Beleuchtung
Hierzu gibt es zwei Konzepte unter den Reiseradlern.
- man fährt als Reiseradler erst im Hellen los und kommt im Hellen an und braucht keine Beleuchtung, die wiegt und evtl. Ärger machen kann
- für den "man muss auf alles gefasst sein", oder "ich will auch in der Dunkelheit fahren"-Typ gilt, Robustheit vor: Nabendynamos und LED-Lampen wären hier als Innovationen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu nennen.
- die Mischform: Batterierücklicht+multifunktionale Stirnlampe als Notfrontlicht soll nicht verschwiegen werden.
Ein Rückspiegel erleichtert souveränes Verhalten im Straßenverkehr und das Fahren in einer Gruppe.
Federung
Federung ist ein heißes Eisen unter Reiseradlern. Es gibt zahlreiche Berichte über defekte Federgabeln auf Reisen, andererseits auch viele positive Erfahrungen. Je nach unterschiedlichen Bewertungen der Nachteile kann der Komfort einer Federgabel oder das -je nach Einschätzung- geringe Ausfallrisiko auf Reise höher wiegen. Wo keine Federung ist, kann keine kaputtgehen.
Komponenten
Da eine Radreise ein Fahrrad stärker als üblich belastet, altern diese auch schneller, weswegen sich qualitativ hochwerte Teile langfristig lohnen können. Auch mit preiswerten Komponenten lassen sich Radreisen durchführen, im Zweifel ein paar weniger als wie mit dem hochwertigen Rad. Oft sind die preiswerten Komponenten nur etwas schwerer, manchmal sind sie sogar haltbarer, z.B. im Bereich des Antriebs.
Individualaufbau
Nicht selten werden Reiseräder als Individualaufbau speziell für den Kunden angefertigt, hierbei wird die Körperbeschaffenheit des Kunden bei der Fertigung des Rahmens berücksichtigt. Spezielle Körpervermessungsprogramme ermöglichen es auch, dass sich Reiseradinteressierte selbst vermessen und so aus der Reihe der Serienreiseräder das passende heraus suchen.
Bein- und Oberkörperlängen bestimmen hier maßgeblich die Geometrie des Rahmens. Persönliche Vorlieben wie Nachlaufeigenschaften können ebenso berücksichtigt werden wie Radstand und spezielle Schaltungen und Bremsen, welche besondere Anlötsockel benötigen (Scheibenbremsen, Rohloff-Nabe etc.).
Maße am Rad
Zur Maßbestimmung des Reiserades können die Methoden der Vermessung der Sitzposition auf einem Rennrad in etwas abgewandelter Form angewandt werden, da dieses auf eine ergonomische, lange Strecken ermöglichende Sitzhaltung ausgelegt ist. Man wird üblicherweise das Oberrohr etwas kürzer, dafür die Sattelüberhöhung kleiner, wählen. Die entsprechenden Regeln gelten natürlich nur für normal gebaute Menschen, wenn man abweichend lange oder kurze Arme oder Beine hat, kann dies nur eine grobe Orientierung darstellen. Frauen haben vergleichsweise längere Beine und fahren deshalb lieber kürzer gebaute Rahmen.
Alternativen
Aus Kostengründen dienen nicht selten andere Fahrradtypen als Grundlage für Reiseräder und werden auf die Bedürfnisse des Reisenden angepasst. Derartige Räder können oft nicht so stark belastet werden wie echte Reiseräder, sind aber meist leichter. Dies sind vor allem Rennräder, Mountainbikes, Trekkingräder und Liegeräder.