Scheibenbremse

Aus Radreise-Wiki
Scheibenbremse am Hinterrad(*)

Scheibenbremsen sind Bremsen deren Bremsfläche eine Scheibe an der Nabe ist. Aus dem Automobil- und Motorradbereich kommend hat sich die Scheibenbremse auch im Fahrradsektor zunehmend verbreitet.

(*)Bildbeschreibung: Die Scheibenbremse wird hier durch Gepäckträger, Ständer, Schnellspanner sowie die externe Schaltansteuerung der Rohloffnabe vor Beschädigung geschützt.

Unterscheidungen

Derzeit wird zwischen folgenden Arten der Scheibenbremse unterschieden:

  • mechanische
Der Zug erfolgt wie bei Cantileverbremsen über einen Bowdenzug. Bekannte Hersteller sind Promax (Baumarktqualität), Avid und Hayes (beide im höherpreisigen Segment angesiedelt)
  • hydraulische
Hier erfolgt die Kraftübertragung über eine Bremsflüssigkeit vom Geber (Bremshebel) zum Bremssattel. Als Bremsflüssigkeit kommen Mineralöle (Shimano, Magura) oder die aus dem KFZ-Breich bekannte Bremsflüssigkeit DOT (4 & 5, ätzend!, Hersteller: Grimeca, Hayes, Formula etc.) zum Einsatz
  • semihydraulische
Die Ansteuerung erfolgt bis zum Sattel über Bowdenzüge, erst dort wird der Kolben betätigt, der dann zum Bremskolben die Kraft hydraulisch betätigt. Durchsetzen konnten sich diese Bremsen nicht so recht, da sie zum einen ähnlich teuer wie hydraulische Bremsen sind, aber die Nachteile der mechanischen Bremsen innehaben.

Die semihydraulischen sollten jedoch nur im Notfall (Finanzmäßig oder Verwendung exotischer Bremshebel) eingesetzt werden. Durch den sehr langen Bremszug lassen sich diese Bremsen nur mit hohen Handkräften bedienen, sind schmutzanfällig und schlechter dosierbar.

Für und Wider der Scheibenbremstechnik

Das Für und Wider der Scheibenbremstechnik ergibt sich vor allem aus dem Vergleich zur meistgenutzten Alternative, der Felgenbremse.

Vorteile

  • stets optimale Bremsleistung: Auch bei Nässe, Schnee und Vereisung gibt es keine Beeinträchtigung der Bremsleistung wie das bei Felgenbremsen der Fall ist.
  • Keine Felgenerhitzung: Schäden durch überhitzte Felgen beim Bremsen werden durch Scheibenbremsen vermieden. Dies ist besonders vorteilhaft bei kleinem Laufraddurchmesser wie z.B. an Liegerädern.(Achtung:Die Scheiben können aber extrem heiß werden, nicht anfassen)
  • Kein Felgenabrieb: Im Gegensatz zur Felgenbremse, werden bei der Scheibenbremse die Felgen als tragendes Element nicht mehr als Abriebpartner der Bremsen benutzt. Durchgebremste Felgen gibt es damit bei Scheibenbremsen nicht.
  • Geringere Handkräfte: Um die selbe Bremswirkung zu erzielen sind bei der Scheibenbremse geringere Handkräfte als bei einer Felgenbremse nötig.
  • Ein Seitenschlag der Felge (Achter) beeinträchtigt das Bremsverhalten der Scheibenbremse nicht.

Nachteile

  • Preis: Scheibenbremsen sind im allgemeinen teurer als Felgenbremsen.
  • Gewicht: Scheibenbremsen sind im allgemeinen schwerer als einfache Seilzug-Felgenbremsen. (aber teilweise sogar leichter als hydraulische Felgenbremsen, bei diesem Vergleich kein Nachteil)
  • Komplexität und Reparaturfreundlichkeit: Bei den hydraulischen Scheibenbremsen wird bei Hydraulikschäden eine Reparatur nötig, die nur mit einem Servicekit des Herstellers (Spezialteile, Hydraulikflüssigkeit) möglich ist. (dies gilt ebenso für hydraulische Felgenbremsen, aber nicht für mechanische Scheibenbremsen)
  • Geräusche: Scheibenbremsen mit Schwimmsattel schleifen leicht während der Fahrt. Andere Scheibenbremsen können nach dem Bremssohlenwechsel schleifen. Für einen schleiffreien Lauf sind in jedem Fall sorgfältige Montage und absolut maßhaltige Zangenaufnahmen unverzichtbar.
  • Belastung auf Speichen: Scheibenbremsen verursachen durch den ungünstigeren Kraftverlauf eine größere Speichenbelastung als Felgenbremsen.
  • exponierte Position: Durch die exponierte Position, vor allem an einer unbepackten Gabel, kann die Bremsscheibe beim Umfallen des Rades oder bei Transporten (Flugzeug, LKW, Busdach) verbogen werden und sollte besser vorher demontiert werden. Für Reisen abseits der Zivilisation empfiehlt sich eine Ersatzbremsscheibe im Gepäck.
  • Bis auf wenige Ausnahmen (Avid BB7 Road, Avid BB5 Road, Shimano BR-R 505 und Tektro Lyra) lassen sich Scheibenbremsen nicht mit Rennlenkern und Schaltbremshebeln kombinieren.

Auswahl der passenden Bremse

Eine überlastete Scheibenbremse überhitzt und verliert dann die Bremskraft(Fading). Hauptmanipulationspunkt dafür ist die Bremsscheibengröße. Je größer die Scheibe, desto länger kann man intensiv Dauerbremsen.

Je schwerer das Fahrzeug (Fahrer und Gepäck) und je häufiger man damit auf Dauerbremsen angewiesen ist (sehr steile, lange, nicht befestigte Wege), desto größer sollte die Bremsscheibe sein. Wer meist ohne Dauerbremsen auskommt wird keine Überhitzungsprobleme bekommen und hat freie Wahl.

Vom Hersteller vorgegebene eventuelle Gewichtsbeschränkungen sollten beachtet werden. Da die Bremskraft bei Scheibenbremsen durch die gesamte Gabel verläuft, sollte man immer auch deren Spezifikationen beachten. Insbesondere sollte man bei großen Scheibendurchmessern die Zulassung der Gabel dafür abklären. Nicht jede Gabel ist für große Bremsscheiben zugelassen, bei älteren Modellen sollten im Zweifelsfalle keine großen Bremsscheiben montiert werden.

Eine eindeutige Empfehlung bezüglich der Wahl der Bremse kann nicht gegeben werden, nachfolgend aber ein paar Informationen der am Markt erhältlichen Scheibenbremsen.

Hersteller

Avid

Avid stellt neben hydraulischen auch mechanische Scheibenbremsen her, die für Benutzer von integrierten Schaltbremshebeln die im Moment verbreitetste Möglichkeit zur Benutzung von Scheibenbremsen bieten. Avid Homepage

Magura

Magura

Grimeca

Produziert 2-, 4- und 6-Kolbenbremsen. Etwas preisgünstiger als Magura. Leider hat Grimeca sehr mit Fertigungstoleranzen zu kämpfen. Der IS (internationale Befestigungsstandard) wird nicht immer eingehalten. So kommt es häufiger zum Schleifen des Bremssattels an den Speichen bei hochbauenden Nabenflanschen. Hier sollte die Befestigung vom Händler erfolgen bzw. eine gesicherte Aussage erfolgen, ob die Bremse zum Laufrad passt. Preise von 100 bis 250 €.

Shimano

Legendär hier die XT-Bremse (4-Kolben). Neigten früher zum Quietschen, durch Belagwechsel von sintermetall- auf organische Beläge ist dieses Problem in den Griff zu bekommen. Recht teuer (180 €), gute Verabeitungsqualität, Standards werden eingehalten, hohe Bremskraft. Zur Kombination mit Rennbremsgriffen gibt es die mechanische BR-R 505

Hope, Hayes

Beide recht teuer, man hört aber viel Gutes.

Tipps

Wer sich neu ausrüsten und vorerst Felgenbremsen fährt, aber die Möglichkeit einer späteren Scheibenbremsmontage offen halten möchte, muss entsprechend ausgerüstete Naben, Rahmen und Gabel verwenden. Prinzipiell ist späteres Nachrüsten die teuerste Variante.

Bei der Nachrüstung von Scheibenbremsen ist darauf zu achten, dass Rahmen und Gabel die notwendigen Befestigungen bieten, die Nabe muss gegen eine Nabe mit Scheibenbremsaufnahme getauscht werden. Von Bastellösungen, besonders am Vorderrad, ist aus Sicherheitsgründen abzuraten. Weiterhin muss die Gabel ausreichend dimensioniert sein. Es gibt für manche Gabeln Beschränkungen bezüglich der maximalen Scheibengrösse.

Da die Speichen an sich schon stärker bei Reiserädern belastet sind, sollte man DD-Speichen (wenn nicht sogar 3D-Speichen) benutzen.

Wer sich im Schadensfall bei einer Radreise die Möglichkeit offen halten möchte, die Scheibenbremse gegen eine eventuell vor Ort erhältliche Felgenbremse auszutauschen, der darf bei Rahmen und Gabel nicht auf die Anlötsockel für Felgenbremsen verzichten. Die Felgen müssen ebenfalls felgenbremstauglich sein. Besser ist i.d.R., unterwegs nur schwer beschaffbare Ersatzteile mitzuführen. Bei allen hydraulischen Systemen gilt, Leitungen ersetzen und entlüften sollte mit Bordmitteln möglich sein.

Die Schnellspanner sollten nicht aus Titan oder Alu sein, da diese den Kräften nicht gewachsen sein können. Probleme gibt es auch mit Kunststoffunterlagen am Schnellspanner, da diese bei starker Hitzeentwicklung aufweichen können und zum Lockern des Schnellspanners mit der Gefahr des Lösens des Laufrades führen (wenn möglich, Schnellspannerhebel auf der rechten Seite montieren, verhindert verbrannte Finger beim Lösen nach einer Abfahrt).

Weitere Tipps in Kurzform:

  • Vorteile der mit Bremsflüssigkeit betriebenen Bremsen ist die Möglichkeit, an Tankstellen Bremsflüssigkeit nachzukaufen. Bremsen mit Mineralölen (Magura & Shimano) dürfen unter keinen Umständen mit DOT betrieben werden, analog gilt das für DOT-Bremsen. Mineralöle haben dagegen den Vorteil, das sie nicht altern, weshalb weniger Wartung nötig ist.
  • Öle und Fette dürfen nicht auf die Scheibe kommen. Folge davon ist Bremskraftverlust (bis zum Totalausfall). Kleinere Verunreinigungen beeinträchtigen die Bremse nur gering und verlieren sich im Laufe der Zeit. Sollte der Bremskraftverlust größer sein, kann man die Scheiben mit Industriealkohol, Spiritus oder Seifenlauge reinigen. Verölte Beläge lassen sich mit Spiritus ausbrennen (hinterher leicht anschleifen). Die Hersteller empfehlen den Austausch. Wichtig: vor Arbeiten am Hydrauliksystem unbedingt die Bremssohlen ausbauen!
  • Bremsgriffe nicht "anknallen", sondern nur handfest anziehen. So können sich diese beim Sturz verdrehen, bevor sie zerbrechen.
  • Unbedingt den Schraubensicherungslack verwenden, damit sich nichts lockert.
  • Einbremsen der neuen Beläge nicht vergessen.
  • Bei Transporten des Fahrrades in Flugzeugen oder LKW kann die Scheibe bei schlechter Lagerung oder Verladung verbogen werden, so das eine vorherige Demontage der Scheibe sinnvoll sein kann.

Scheibenbremsen am Reiserad?

Ob man (und welche) Scheibenbremse man an das Reiserad montieren sollte oder nicht, hängt vor allem davon ab, ob man auf seinen Reisen besonders die Scheibenbremsvorteile sinnvoll nutzen kann, oder ob sie eher selten schlagend werden. Gleiches gilt für die Nachteile.

Wer überwiegend bei Schönwetter auf Asphaltstraßen mit großen Laufrädern unterwegs ist, für den bieten Scheibenbremsen nur in seltenen Fällen Vorteile. Bei Rennlenkern sind Scheibenbremsen mit wenigen Ausnahmen zudem gar nicht kompatibel und auch nicht jeder Rahmen und jede Gabel ist dafür vorbereitet.

Wer Radreisen im Alpencrossstil macht (Scheibenbremsen werden inzwischen vom weit überwiegenden Teil der Radreisenden im MTB-Alpencrossstil benutzt) und auf präzises Bremsen und Vermeidung von Felgenverschleiß z.B.auf steilen Pisten mit Pfützen, Schneefeldern und Bachdurchfahrten angewiesen ist, der ist mit Scheibenbremsen gut bedient. Wer sehr kleine Laufräder, wie z.B. am Liegerad üblich, verwendet, ist in bergigem Gebiet auch gut mit Scheibenbremsen bedient.

Wer Fernreisen in abgelegene Gebiete unternimmt, muss sich Gedanken um die Reparaturfrage machen. Diese lässt sich mit Seilzug-Scheibenbremsen auf ein Niveau von ebensolchen Felgenbremsen bringen.

Siehe auch